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Summa Summarum

„Stelle Dich niemals gegen die Zentralbanken“

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„Stelle Dich niemals gegen die Zentralbanken“ ist ein alter Spruch, der auch im aktuellen Aktienmarktumfeld zunehmend seine Berechtigung hat: Die Zentralbanken rund um den Globus wollen die Wirtschaft weiter anschieben und vor allem die Investoren unverändert aus dem „Risk Off“ in den „Risk On“-Modus treiben, damit die Risikozuschläge im Euroraum abschmelzen, die Krise endgültig überwunden werden kann und in den USA der Arbeitsmarkt voran kommt.

Das trug auch in den zurückliegenden Tagen weiter Früchte: Wahlausgang in Italien hin oder her, der Abstand zwischen den Renditen 10-jähriger spanischer und italienischer Anleihen ist weiter zusammengeschrumpft. Die Renditen für 10-jährige spanische Staatsanleihen sind bereits am Freitag der Vorwoche auf das niedrigste Niveau seit November 2010 zurückgefallen.

Auch hält der positive Mittelzufluss in Aktienfonds an. In der 10. Kalenderwoche wurden weltweit etwa 13 Mrd. US- Dollar aus Geldmarktfonds abgezogen, wovon etwa 7 Mrd. US-Dollar in Aktienfonds flossen. Anleihefonds konnten trotz positiver Zuflüsse so wenig Geld einsammeln wie zuletzt 2008.

Quelle: Allianz Global Investors

 

Fundstücke aus dem www.

Robert Went ‏: The Value of the Dollar Does Not Tell Us About the Strength of the U.S. Economy — Dean Baker
USA
  • Der US Aktienmarkt steigt im Laufe des Handelstages deutlich an (S&P: +0,6%). Energy (+1,3%), Telcos (+0,7%) und Tech (+0,7%) waren die stärksten Sektoren, während Discretionaries (+0,2%), Healthcare (+0,2%) und Utilities (+0,2%) den Markt underperformten. Die Volumen lagen dabei 5% bzw. 8% unter dem 10- bzw. 30-Tagesschnitt.
  • Die Fed hat die Cash Ausschüttungspläne 14 der 18 großen US Banken genehmigt aber nach dem Stresstest eine deutliche Warnung zur Kapitalisierung dieser Banken ausgesprochen. WSJ – 14.3.13 FT – 14.3.13
  • US Präsident Obama erwartet, dass der Iran binnen eines Jahres möglicherweise eine Atombombe bauen könnte. Obama möchte daher im Konflikt mit dem Iran keine Option ausschließen. WSJ – 14.3.13
  • JPMorgan (JPM US) bekommt zusätzlichen Druck durch Senator John McCain der fordert, dass die Bank in der heutigen Anhörung deutliche Eingeständnisse ihren Investoren gegenüber zu dem $6Mrd Trading Loss macht. Die Aktie fällt nachbörslich 1,9%. FT – 14.3.13
  • Bank of America (BAC US) steigt nachbörslich 3,1% nachdem die Fed, dass Aktienrückkaufprogramm in Höhe von $5Mrd genehmigt hat. BBG – 14.3.13
  • Ulta Salon Cosmetics (ULTA US) fällt nachbörslich 14,2% trotz besserer EPS von $1,0 (Cons.: $0,98) aber einer schwachen 2013 EPS Guidance von $3,29 (Cons.: $3,39). 
  • Heute wird um 13:30 Uhr der Empire Manufacturing Index (Cons.: 10 Punkte), der CPI (Cons.: 0,5%mom) und um 14:15 Uhr die Industrial Production (Cons.: 0,4%) veröffentlicht.
 
ASIEN
  • Die asiatischen Aktienmärkte handeln nach starken Vorgaben aus den USA im Plus (SHCOMP: +0,3%, NIKKEI: +1.5%, HSI: +0.1%).
  • Li Keqiang ist zum chinesischen Premier ernannt worden und ist damit der Erste seiner Garde mit einem Doktortitel. Seine Vorstellung zur Wirtschaftsentwicklung in China basieren auf einem Wachstumsmodel mit dem Fokus auf Konsum und weniger auf Export. BB – 15.3.13
  • Haruhiko Kuroda ist in Japan als Gouverneur der Bank of Japan (BoJ) bestätigt worden. BB-15.3.13
  • Chinas „Bad Bank“ China Cinda Asset Management plant angeblich einen Börsengang im Wert von USD3Mrd in Hong Kong. BB-15-3-13
  • Singapurs Home Sales sind im Februar um 65% gefallen und markieren damit ein 14M Tiefstand. Dies ist eine Reaktion auf wiederholte Maßnahmen der Regierung den Häusermarkt zu beruhigen. BB-15.3.13
 
EUROPA
  • Der gestern begonnene EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs wurde von einer Diskussion um die Verfassungsänderung in Ungarn überschattet. Parlamentspräsident Schulz forderte die Regierungschefs auf, präzise zu prüfen, ob Ungarns Pläne den europäischen Werten widersprechen. SPGL – 14.3.13 Gleichzeitig wurde der Fokus besonders stark auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gelenkt. Öffentliche Ausgaben für Investments sollen mit einer strengeren Fiskalpolitik balanciert werden. Eine Einigung zu Zypern rückt ebenfalls näher. WSJ – 14.3.13 EC Statement
  • Die Troika hat Griechenland gestern ohne eine Einigung mit der Regierung verlassen und wird die fällige Tranche nicht mehr im März auszahlen. Streitpunkt war die Entlassung von Beamten, schreibt die FT. Neue Gespräche folgen im April.FT – 14.3.13
  • Shell muss nach Aussagen von US-Behörden die Transparenz bezüglich der Pläne in der Arktis erhöhen, um dort weiterhin aktiv sein zu dürfen. WSJ – 14.3.13
  • Unicredit steht kurz vor dem Verkauf ihrer kasachischen Tochter ATF Bank. Die Transaktion könnte am Freitag mitgeteilt werden, schreibt das Handelsblatt unter Berufung auf vertraute Personen. HB – 15.3.13
  • Volkswagens Nutzfahrzeugsparte soll einen Strategieschwenk erfahren. Weil der Markt in Europa gesättigt ist, will Scholz den Nachfolger für den mittelgroßen Transporter Crafter so entwickeln, dass dieser auch gute Absatzchancen auf dem wichtigen US-Markt hat. HB – 14.3.13
  • Dufry berichtet FY-Umsätze bei SFr3,2Mrd in line mit den Erwartungen; Nettogewinn SFr122Mio vs. Consensus SFr150Mio; der Ausblick sei positiv.
  • Heute kauft Italien eigene Bonds zurück (11Uhr). Es werden keine wichtigen Makrozahlen veröffentlicht.

Wir wünschen Ihnen ein schönes Wochenende!

Vom Vertrauen zur Hoffnung

Eigentlich ist das Prinzip des Geldes, auf eine erbrachte Leistung eine Gegenleistung zu bekommen. Zumindest stand dies am Ende des Tauschhandels, als der Erbringer einer Leistung eine Muschel erhielt, auf der die Einheiten seiner erbrachten Leistungen stand und die er, frei nach seinen Bedürfnissen, beim Bäcker oder Metzger oder Schmied usw. gegen Waren oder Dienstleistungen eintauschen konnte. Als Münzen aus Silber und Gold die Muscheln ablösten und, aufgrund ihrer Seltenheit, allgemeine Akzeptanz fanden, war dem allgemeinen Warenverkehr und Tauschhandel gegen Edelmetalle die Tür geöffnet. Die Deckung einer Währung in Gold und die Sicherheit, die in diesen Münzen konservierte Leistung wieder in eine dem Wert entsprechende Gegenleistung eingetauscht zu bekommen, schaffte Vertrauen und ist noch gar nicht so lange her. Erst im 20. Jahrhundert wurde, zuletzt durch Nixon 1971, endgültig die letzte Bindung einer Währung an Gold aufgehoben. Die Gründe dafür haben wir bereits in etlichen der letzten Investmails diskutiert. Seit Aufhebung der Garantie eines Staates, Geld zu einem festen Umrechnungskurs in Gold einzutauschen, mußte das Vertrauen in die Werthaltigkeit einer Währung durch Zentralbanken garantiert werden und die Besitzer dieses Geldes die Hoffnung haben, dass diese verantwortungsvoll damit umgehen. Das Prinzip eines Sparers beruht auf dem Verzicht auf Konsum zu Gunsten seiner Zukunft, in der der Sparer eine erbrachte Leistung (z.B. den Lohn seiner Arbeit) konservieren möchte, um in der Zukunft (z.B. Alter) dies nachzuholen (Gegenleistung). Er muß darauf vertrauen können, dass der Wert der erbrachten Leisung aus der Vergangenheit erhalten bleibt und in der Zukunft wieder eintauschbar ist. Seit Aufhebung der Goldbindung ist dies nicht gerade ein leichtes Unterfangen, da ein Schädling, den man unter der Goldbindung des Geldes noch nicht kannte, der Kaufkraft des Geldes zusetzt; man nennt diesen INFLATION. Die aktuelle statistische Inflationsrate liegt lt. dem Statistischen Bundesamt bei 2,9%. Rechnen wir noch die zu leistende Abgeltungssteuer auf unsere Einnahmen, die wir durch unsere Geldanlage abführen müssen, hinzu, dann sind sämtliche Geldanlagen, die weniger Ertrag als 4% zur Zeit abwerfen, ein Minusgeschäft und führen nicht dazu, dass unser Vertrauen und Hoffnung, unsere Leistung konserviert zu bekommen, erfüllt werden. Die Tatsache, dass Anleger aus Aktien fliehen, die auf ihr eingesetztes Kapital 6% bis 10% Dividende zahlen und in Anlagen flüchten, die ihnen 0,5% bis 1,9% Zinsen zahlen, zeigt, dass das Vertrauen in die Märkte klein und das Vertrauen auf die mündlichen Garantien unserer Regierung weiterhin groß ist. Lieber nehmen Anleger, nach Abzug der Abgeltungssteuer und Inflationsrate, ein Minus von im MIttel 2,1% p.a. in Kauf, was bei einer Anlagezeit von 10 Jahren, also dem mittleren Verlauf einer gewöhnlichen Baufinanzierung, immerhin einem Kaufkraftverlust 18,8% und in 20 Jahren einem Kaufkraftverlust von 34% entspricht. Da soll doch einer mal sagen, dass unsere Steuern zu hoch und unser Verdienst zu gering ist. Dies geschieht zur Zeit in unserer Republik völlig freiwillig und ohne Zwang! Herr Schäuble kann, sollten nicht erschwerende Ereignisse hinzu kommen, z.B. die Pleite von Griechenland, Portugal, Irland, Italien etc., für die wir mit unserem Vermögen geradestehen, berechtigte Hoffnung haben, dass Deutschland sich entschulden kann. Allerdings bekommt das Vertrauen in der Bevölkerung Risse, denn lt. einer aktuellen repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap gehen zwei Drittel der Deutschen davon aus, dass die Bundesregierung angesichts des Ausmaßes der Krise den Überblick verloren habe. Bereits im Frühsommer untersuchte das Institut für Demoskopie Allensbach für die FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) das Vertrauen der Deutschen in den Euro und stellte fest, dass 71% der Deutschen weniger, kaum oder sogar gar kein Vertrauen in die Gemeinschaftswährung haben. Das bedeutet, dass die Zutaten für eine klassische Wärhungskrise angerichtet sind. Wie wir bereits am Anfang des Artikels herausgearbeitet haben, ist das wesentliche Merkmal, dass eine Währung seit Aufhebung der Garantie in den Eintausch von Gold besitzen muß, Vertrauen. Keine Spekulation der Welt kann einer Währung etwas anhaben, so lange der Sparer bereit ist, an der Währung festzuhalten. Der französische Franc hat in den 20iger Jahren zwei massive spekulative Attacken überlebt, weil das Volk das Vertrauen in seine Währung nicht verlor. Das Vertrauen in den Euro erodiert und wie weit dieser Erosionsprozeß bereits fortgeschritten ist und wie groß ein Ereignis sein müsste, um eine Währungskrise auslösen zu können, vermag niemand zu sagen. Italiens Premier Berlusconi wirkte nach den „Italienwochen“ an den Rentenmärkten verschreckt. Voller Entschlossenheit wurde ein Sparpaket geschnürt und wieder aufgeschnürt, nachdem die EZB (Europäische Zentralbank) begann, zur Stützung Italiens italienische Anleihen zu kaufen. Die Zinssätze für Italien sanken wieder, allerdings auch der Sparwille Italiens. Es bedurfte sicherlich ein Messer auf der Brust Berlusconis, das bereits die ersten Schichten seiner Haut ritzte, dass er die Aufschnürung des Sparpakets wieder rückgängig machte, allerdings sehr halbherzig und typisch italienisch. In den letzten Wochen und Monaten gab es bereits massive Kapitalabflüsse von griechischen, spanischen und italienischen Banken. Griechische Banken wären längst pleite, wenn die EZB nicht diesen gigantische Kreditpakete abgenommen hätte. Spanische Banken dienten der EZB sogar die Verwertungsrechte am Spitzenstürmer Ronaldo als Pfand für frisches Geld an. Diese frisch geschaffenen EZB Euros sind zur Zeit noch ohne Probleme in Franken, Dollar, Gold oder Londoner Luxusimmobilien zu tauschen. Falls die frisch gedruckten Notenbankgelder in der Binnenwirtschaft zu zirkulieren beginnen, erzeugen sie Teuerung, wie in den USA und Großbritannien. Falls die frisch gedruckten Summen von ihren Besitzern vor allem genutzt werden, um aus dem Währungsraum zu fliehen, dann erschafft die EZB mit ihrer Druckerpresse gerade den Treibstoff für eine Währungskrise. Allgemein kann man sagen, dass keine der bedeutenden Notenbanken mehr potitisch unabhängig ist, sondern selbst Teil des politischen Systems geworden ist. Damit haben diese ein wichtiges Gut verspielt, die Glaubwürdigkeit. Kommen wir wieder zum Anfang dieses Artikels zurück: Wenn nicht mehr geglaubt werden kann, dass für einen Geldschein, für ein Kontoguthaben oder für den Gegenwert einer Staatsobligation morgen, übermorgen oder in einem Jahr ein Kilo Brot, eine Arztrechnung oder ein Haus bezahlt werden kann, dann ist das Geld wertlos.

Geld=Leistung=Gegenleistung=Vertrauen=Hoffnung

Was bleibt ist die Hoffnung!

An der Börse wird geläutet!

An der Börse wird zum Ein- und
Ausstieg nicht geläutet. -Oder doch?

An der Börse wird zum Ein- und Ausstieg nicht geklingelt, heißt eine dieser gängigen Börsenweisheiten. Jedoch können geschulte Ohren manchmal ein vernehmliches Geläut hören. An einem warmen Märztag des Jahres 2000 war der Börsengang von Lycos Europe und erregte damals große Aufmerksamkeit. Die Gesellschaft war ein Joint Venture der amerikanischen Lycos-Gesellschaft und der deutschen Bertelsmann-Gruppe. Lycos Europe hatte alles, um ein Börsenstar zu werden: Ein Portal, einen klangvollen Namen, etablierte Geschäftsbereiche, Phantasie für die Zukunft, klangvolle Eltern – es passte einfach alles. Dennoch sackte der Börsenkurs direkt nach der Emission unter den Ausgabekurs, so etwas hatte es vorher nicht gegeben. Offenbar wurde das Papier nicht gekauft, nur die Kurspflege der Emissionsbanken hielt es über Wasser. Zum Emissionskurs wurde das Unternehmen mit 10 Mrd. D-Mark bewertet, das galt damals als Schnäppchen. Tagelang dümpelte der Kurs von Lycos Europe vor sich hin, während die Aktien AOL, Yahoo, Mobilcom und Intershop munter haussierten. Fehlgeschlagene Neuemissionen können klassische Wetterleuchten sein, die regelmäßig kurz vor Börsencrashs auftauchen. Rund zwei Wochen später begann der Nasdaq-Crash. Fassungslos standen Passanten vor den Leuchttafeln am Madison Square und sahen, wie Aktien von Yahoo und AOL in den freien Fall übergingen. Der große Nasdaq-Crash begann. Das tagelange „Dümpeln“ des Newcomers „Lycos Europe“ war für informierte Investoren so etwas wie ein „Glockengeläut“, das eine neue Börsenphase einläutete.

Heute beginnt eine wieder neue Marktphase, Bond-Guru Mohammed El-Erian sprach gar von Beginn einer neuen Ära. Das Glockengeläut am Markt war in den letzten Wochen schlicht unüberhörbar. Die Börsenweisheit, dass am Markt zum Ein- und Ausstieg nicht geläutet wird, stimmt offenbar gar nicht, man muss nur gut hinhören.

Was ist passiert? Der US-Schuldenstreit wurde am Dienstag gelöst. Ein sichtlich ermattet wirkender US-Präsident annoncierte den asiatischen Märkten vor Eröffnung, dass die Mehrheitsführer beider Parteien und beider Häuser einen Kompromiss gefunden hätten. Die Erleichterungsrally blieb aus. Stattdessen setzten weltweit Aktienverkäufe ein, spanische, italienische und sogar dänische Staatsanleihen kamen auf die Verkaufszettel. Aus Italien setzte eine massive Kapitalflucht in den Franken ein, die charttechnische Widerstände einfach wegspülte. Der Goldpreis überwand mit Leichtigkeit bisherige charttechnische Widerstände, stieß am Mittwoch bis 1670 vor  und die Notenbank Südkoreas gab bekannt, Gold als Devisenreserve zu kaufen. Politik und Geldpolitik in Europa fanden mit schlafwandlerischer Sicherheit alle Fettnäpfchen, die es gab.

EU-Komissionspräsident Barroso demontierte in einem Brandbrief die Beschlüsse des letzten Euro-Gipfels. Ein zunehmend nervös wirkender Notenbankchef Trichet verpatzte die Kommunikation seiner neuen Käufe von Staatsanleihen und löste einen Börsencrash aus. Am Ende einer Woche dichter Ereignisse entzog S&P den USA das AAA-Rating.

Jedes dieser Ereignisse ist ein Symbol für eine bestimmte Entwicklung. Verdichtet man diese Entwicklungen, so zeigt sich das Bild einer neuen Marktphase. Das Läuten der Glocken ist unüberhörbar.

Aber der Reihe nach. Zuerst der Blick nach Amerika. In sprichwörtlich letzter Minute konnte im US-Schuldenstreit ein Kompromiss erzielt werden. Trotz der Einigung bleibt die Frage, warum die USA den Flirt mit der Staatspleite in Kauf nahmen. Doch keine externe Kritik konnte so am Ruf der Treasuries so
kratzen, wie der hausgemachte US-Schuldenstreit. Ähnlich wie Japan kann die USA derzeit ihre Schuldenlast nur deshalb tragen, weil die Zinsen niedrig sind.
Jede Steigerung der Zinshöhe würde eine klassische Schuldenspirale in Gang setzen. 2010 verfügten die USA monatlich im Schnitt über 184 Mrd. Dollar an Einnahmen und gaben 372 Mrd. Dollar aus. Um Zinsen zu sparen, wurde ein sehr großer Teil der rund 15 Billionen Dollar Schulden nur kurzfristig finanziert. Je kürzer die Laufzeit, umso geringer ist der Zinskupon von Anleihen. Seit drei Jahren steigen die Summen, die monatlich zur Umschuldung anstehen deswegen an. 465 Mrd. Dollar müssen die USA alleine im August umschulden. Das ständige
Umschulden kurzfristiger nahezu zinsloser Verbindlichkeiten lief in den letzten
drei Jahren wie eine gut geölte Maschine (dabei weiß jedes Unternehmen, dass das finanzieren von lanfristigen Verbindlichkeiten mit kurzfristigen Krediten tödlich ist). Auch beim kleinsten Ruckeln dieser Maschine treffen jedoch Verbindlichkeiten in atemberaubender Höhe auf vergleichsweise niedrige Steuereinnahmen. Finanzminister Geithner hat sich in den letzten Tagen bei über 20 großen Bondhändlern rückversichert, dass sie auch im August in gewohnter Stärke bei den Emissionen frischer US-Staatsanleihen mitbieten wollen. Geithner war offenbar genau so nervös wie viele Anleger.

Die Erhöhung des US-Schuldenlimits löste Erleichterung aus.
Das Szenario eines ungeordneten Zahlungsausfalls der USA war einfach zu
hässlich. Dennoch bleiben ernsthafte Blessuren. Weltweit werden sich Anleger,
die US-Treasuries bisher als eine andere Art von Bargeld ansahen, die Einnahme
und Ausgabeseite der USA unter die Lupe nehmen und angesichts der
„griechischen“ Finanzlage der Supermacht schmerzhafte Erkenntnisse gewinnen.

Die größten Einschnitte des US-Budget-Kompromisses werden beim Militär gemacht. Das mag richtig sein, unterhöhlt aber eine wichtige Säule des Supermachtstatus der USA. Wenige Stunden nach der Verabschiedung des
US-Sparpakets berichtete Bloomberg, dass die südkoreanische Notenbank rund 25 Tonnen Gold gekauft hat. Der Zeitpunkt war zufällig, die Reihenfolge besaß
jedoch Symbolkraft. Kaum ein Land weltweit ist so sehr von der Schutzmacht USA abhängig wie Südkorea. Die südkoreanische Hauptstadt Seoul liegt innerhalb der Reichweite nordkoreanischer Artillerie, die Vereinigten Staaten sind
Schutzmacht und der wichtigste Exportmarkt für die Südkoreaner. 261 Mrd. Dollar Devisenreserven hat das boomende Korea angehäuft, sie gehören zu den größten Devisenreserven weltweit. Länder wie Kolumbien, Jamaika oder die Ukraine benötigen Devisenreserven, um die Landeswährung zu verteidigen oder Öl zu kaufen. Südkorea, Japan und China besitzen gigantische Devisenreserven, weil sie ihre Landeswährung seit Jahren absichtlich schwächen. Wann immer die Nachfrage nach Exportgütern so stark wurde, dass die Landeswährungen aufwerteten, druckten die Notenbanken frische Landeswährung. Mit dem frisch gedruckten Geld kauften die asiatischen Notenbanken an den Märkten Dollar. Das Überangebot an Landeswährung senkte den Preis der Landeswährung. So verhinderten die asiatischen Exporteure die Aufwertung ihrer Währungen, förderten Exporte und häuften groteske Dollarberge an.

Südkorea ist mehr als ein Verbündeter der USA, manche Kommentatoren bezeichneten Südkorea als Vasallen. Dass dieses Land nun US-Staatsanleihen abstößt, um seine Goldreserven zu verdreifachen, symbolisiert den Aufstieg von Gold als Reservewährung, den Abstieg des Dollar und die Relativierung der USA als potente Schutzmacht. Noch 2009 war das ganz anders. Als 2009 die Notenbanken von Indien, Mauritius, Sri Lanka und Bangladesh Gold akkumulierten, erklärte man in Seoul, dass man keinerlei Pläne dieser Art habe und auf den Dollar setze. Es hat sich etwas geändert seit 2009.

Ein Blick nach Europa. Die Halbwertzeiten europäischer Rettungsmaßnahmen werden immer kürzer. Eine Woche nach der Installation einer Euro-Transferunion und der darauf folgenden Erleichtungsrally gerieten spanische und italienische Staatsanleihen wieder auf die Verkaufslisten. Beide Länder zahlen nun mehr als sechs Prozent Zinsen. Zur Erinnerung: Als Griechenland 2010 erstmals mehr als fünf Prozent Zinsen zahlen musste, sprach Premier Papandreou von „barbarischen Zinsen.“

Bei Zinshöhen von sechs Prozent sind Spanien und Italien davon befreit, ihre Anteile in den Euro-Rettungsschirm ESFS einzuzahlen. 750 Mrd. Euro umfasst der „Euro-Rettungsschirm“. Für rund 130 Mrd. Euro des Rettungsschirms stehen Italien und Spanien gerade. Beide Länder gehörten bisher zu den größten Einzahlern in den Fond. Falls sie auf die Nehmerseite wechseln, bricht das Konstrukt zusammen. Die österreichische Tageszeitung „Die Presse“ titelt über den Euro-Gipfel treffend: „109 Milliarden Euro für eine Woche Ruhe.“

Die fiskalische Lösung der Euro-Schuldenkrise erweist sich als brüchig. Drei Wochen nachdem die EZB eine fiskalische Lösung der Schuldenkrise erzwang, musste sie wieder mit Bondkäufen beginnen. Die Märkte wären auch mit
einer politischen Union Europas und einer Vergemeinschaftung der Schulden
zufrieden. Eine vollständige politische Union mit Schuldenunion wäre in den
meisten Euro-Ländern jedoch nur mit Hilfe eines Staatsstreichs durchsetzbar.

In Spanien und Italien führten die Ereignisse der letzten Wochen zu einem formidablen Bank Run. Banken, die vom Cashabzug betroffen sind, werden durch die Zentralbank EZB flüssig gehalten. Die EZB hat in Griechenland Erfahrung gesammelt, illiquide Banken liquide zu halten. Jede Bank hat nur ein paar Prozent der Kundeneinlagen flüssig verfügbar. Nach Handelsblatt-Angaben verwalteten Banken im Euroraum 2009 rund 9 Billionen Euro Kundeneinlagen, rund 260 Mrd. Euro waren flüssig verfügbar, also 2,88 Prozent. Den Rest haben die Banken verborgt. Als griechische Kunden mehr als diese 2,88 Prozent bei ihren Banken abzogen, begannen griechische Banken damit, ihre Kreditforderungen in Pakete zu packen. Diese Pakete wurden bei der EZB als Sicherheit hinterlegt, die Notenbank gab den Griechen im Tausch für diese Sicherheiten frisch gedruckte Euros. Die Griechen lagern diese Euros inzwischen unter dem Kopfkissen, tauschten sie in Franken oder kauften Londoner Immobilien, als gäbe
es kein Morgen.

In Spanien läuft es derzeit ähnlich, ein besonders skurriler Fall wurde gerade öffentlich. Eines der Kreditpakete, das spanische Banken bei der EZB zu Bargeld machen möchten, heißt „Madrid Activos Corporativos V“. Besichert ist das 770 Mio. Euro Paket unter anderem mit Real Madrids Starstar Christiano Ronaldo. Real Madrid hatte den Fußballstar einst auf Kredit gekauft. Als Sicherheit diente nicht das Stadion, nein als Sicherheit diente Ronaldo persönlich. Falls Real Madrid in Schwierigkeiten geraten sollte, wäre der Transfer von Ronaldo zur EZB perfekt. Das klingt exotisch, aber genau so kam die Bayerische Landesbank nach der Pleite von EM TV zu einem Aktienpaket der Formel 1.

Woche für Woche nimmt die EZB frische Kreditpakete in ihre Bilanz und hält damit die Banken flüssig. Was mit den liquiden Euros passiert, die italienische Banken ihren Kunden aushändigen, lässt sich im Kanton Tessin besichtigen. Betuchte Italiener bringen ihr Geld in die Schweiz. Italienische Finanzpolizisten stehen auf den Parkplätzen Tessiner Banken und notieren die Nummern italienischer Autos.

Die Kapitalflucht aus Italien in die Schweiz ist vermutlich die mächtigste Fluchtbewegung, die die Eurokrise bisher gesehen hat. Italiener haben etwas, was weder Spanier noch Griechen haben: eine wirklich hohe Sparquote und eine Sparkultur! Für vermögende lombardische Geschäftsleute gehört die Kapitalflucht in die italienischsprachige Südschweiz zu den gelernten Reflexen. Der Franken ist das Gold der Italiener. Und das nicht nur „gefühlt“. Als die Lira in den 70ern besonders heftig inflationierte, war der Franken noch goldgedeckt (diese wurde per Volksentscheid im Jahre 2000 abgeschafft und die Schweizer Nationalbank verkaufte 50% ihrer Goldreserven. Aufgrund des immensen Anstieges des Schweizer Franken, besitzt heute der Franken jedoch fast wieder eine Golddeckung. Das Gegenteil ist bei US$ und EURO der Fall, die gegenüber Gold immer mehr an Wert verlieren!!!).

Tag für Tag sorgt die Kapitalflucht in die Schweiz für steigende Frankenkurse. Die berüchtigten Devisenspekulanten hätten sicherlich beim Kurs von 1,10 Franken Gewinne mitgenommen und eine Ruhepause eingelegt. Doch in Panik geratene Anleger tauschten trotz des irrwitzigen Kurses weiter Euros in Franken, als gäbe es morgen die Lira oder Devisenverkehrsbeschränkungen. Als der Euro an einem Tag 2,88 Prozent verlor und auf 1,08 Franken fiel, zog die Schweizer Notenbank die Notbremse. In einem – für Notenbankverhältnisse – adrenalingetränkten
Kommunique machte die Schweizer Notenbank deutlich, dass die Grenze ihrer
Toleranz überschritten wurde. Spekulanten zogen sich zurück, nahmen Gewinne
mit, der Euro erholte sich: für einen Tag. Danach fiel der Euro bis 1,075 Franken.

Die Mehrzahl der Menschen begreift immer noch nicht, dass wir in einer Währungskrise sind. Der Spiegel titelt: „Euro-Talfahrt stürzt Franken in Währungskrise.“ Richtig ist es genau umgekehrt: „Euro-Währungskrise stürzt Schweiz in Wirtschaftskrise.“

Aus dem Abverkauf an den Aktienmärkten wurde am Donnerstag ein klassischer Crash. Notenbank-Präsident Trichet kündigte auf einer Pressekonferenz an, wieder Staatsanleihen der Euro-Peripherie-Länder zu kaufen.
Die EZB kann Geld in beliebiger Menge drucken, damit kann sie Staatsanleihen
kaufen und die Kurse der Staatsanleihen stabilisieren. Großbritannien und die
USA halten sich so seit zwei Jahren über Wasser. Die Bondanleger tauschen ein
Ausfallrisiko gegen Kaufkraftverlust der Währung. Die Märkte sehen Bondkäufe
zwar derzeit eher positiv, aber Trichet kommunizierte seinen plötzlichen Schwenk so ungeschickt, dass Marktteilnehmer die neuen  Bondkäufe der EZB als Panikreaktion interpretierten. Der deutsche Tec-Dax brach zeitweise über 8 Prozent ein, die brasilianische Börse fiel um 10 Prozent. Der marktbreite S&P-500-Index, der 500 Unternehmen enthält, notierte mit den größten Verlusten seit dem mörderischen Sell-Off des Frühjahrs 2009. Das sind Dimensionen, die dem großen Nasdaq-Crash nicht nachstehen.

Der EU-Kommissionspräsident befeuerte die Unsicherheit an den Märkten. Er machte einen Brief publik, den er an alle Regierungschefs der Euro-Zone geschickt hatte. Barroso stellt in diesem Brief die Ergebnisse des Euro-Gipfels massiv in Frage. Die deutsche Financial Times schreibt: „Für Investoren ließen diese Zeilen nur eine Deutung zu: Das Geld im Fonds zur Rettung und Sicherung der Währungsunion reicht nicht, die Beschlüsse des Euro-Gipfels von vor gerade einmal zwei Wochen sind offensichtlicher Murks. Mit den Äußerungen heizte der Kommissionspräsident die große Unsicherheit der Händler weiter an, der DAX rutschte tiefer, italienische und spanische Staatsanleihen wurden abgestoßen.“

Ach so, eines noch: Barroso beklagt außerdem die undisziplinierte Kommunikation in der Eurozone. Sapperlot, ich glaube, so etwas nennt man „Chuzpe“.

Am Freitagabend nach Börsenschluss traf die Meldung ein, dass die führende Ratingagentur Standard & Poors den USA die Top-Bonitätsnote AAA entzieht und den Ausblick senkt. Ein Teil des Sell-Offs der letzten Woche dürfte sich aus Insiderverkäufen von Marktteilnehmern speisen, die diese Information schon vor drei Tagen kannten. Das alles ist kein surrealistischer Alptraum, nein es passiert gerade. In diesem Umfeld sind 1600 Dollar für eine Unze Feingold doch recht wenig Geld. Zumindest mag sich das die südkoreanische Notenbank in der Vorwoche gesagt haben. Der Goldpreis schoss am Montagmorgen über die Schwelle von 1700 Dollar hinweg, Unzenmünzen im deutschen Handel notieren bei rund 1270 Euro.

Zur Markttechnik: Der vor ein paar Wochen prognostizierte Eintritt in die volatile Marktphase hat sich vollzogen, die in den Vorwochen skizzierten Szenarien sind derzeit im „Life-Modus“. Falls es schon jetzt eine „Flucht ins Gold“ größeren Ausmaßes geben sollte, darf mit Gegenmaßnahmen regulatorischer Art gerech-net werden, die einen Teil der Goldanleger verschrecken könnten. Angesichts rekordhoher Goldpreise ist es derzeit spottbillig, sich gegen Preisrückgänge abzusichern. Wer sich nicht als hartgesottenen Spekulanten, sondern als Anleger sieht, kann physische Goldpositionen derzeit zu Mini-Preisen nach unten absichern.