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Summa Summarum

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QE3…………………QE ∞

Summa Summarum vom 24.07.2012

Prof. Norbert Walter(+): Wenn Italien und Spanien fallen, reden wir nicht mehr über eine Rettung, sondern über Verhältnisse wie nach dem 2. Weltkrieg und das bedeutet LASTENAUSGLEICH! (RIP)

Euroselbsthilfegruppe oder “Die Italienische Währungsunion”

George Soros für Euro-Bonds – oder den Austritt Deutschlands

Eigentlich verdient George Soros den Karls-Preis für seinen an der Frankfurter Goethe-Uni verkündeten Rat, Deutschland solle entweder die anfallenden Mehrkosten für das Krisenmanagement der Euro-Zone übernehmen – 320 bis 350 Milliarden Euro Zinsen für die dafür benötigten „Euro-Bonds“ – oder ganz aus der Euro-Zone austreten.

Ein genialer Vorschlag des erfolgsverwöhnten US-Hedgefonds-Managers. Denn wer hat ein Geschäftsinteresse daran, daß der Euro „gerettet“ wird? Der Finanzsektor, der um seine in den Euro-Sand gesetzten Bilanzmilliarden fürchtet. Ein Teil des deutschen Exportsektors, dem schon die harte D-Mark ein Horror war und der den weichen Euro liebt wie eine steuerliche Ausfuhrsubvention. Nicht zu vergessen die EU-Granden, denen ohne Euro alle Fälle wegschwimmen: Position, Karriere, Zukunft.

Sie alle müssen Soros beide Füße küssen. Denn entweder wird der Euro mit deutschem Geld gerettet, wenn zwei Drittel der geplanten Euro-Bonds von Deutschland übernommen werden und die Politik in das vom Bundesverfassungsgericht verbotene Projekt einwilligt. Oder aber, wenn Deutschland die Euro-Zone verläßt, dann gibt es ein opulentes „Geschenk“ frei Haus geliefert: die Abwertung des Euro. Denn ohne die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse und mit den anschwellenden Defiziten der Rest-Euro-Zone wird der Wechselkurs des Euro in den Orkus abrutschen.

»Ein Teil des deutschen Exportsektors liebt den Euro eine Ausfuhrsubvention.«

Aber merkt Soros nicht, wie er sich so selbst entlarvt? Denn in Wahrheit sagt er: Schuld am Euro-Desaster sind die (mit und ohne Deutschland) total falschen Wechselkurse innerhalb der Euro-Zone und folglich auch nach Außen. Es ist die reale Überbewertung des griechischen oder des französischen Euros, die dort die Defizite, Überschuldungen und Krisen hervorruft, während umgekehrt die nominale Unterbewertung des deutschen Euro den Exporterfolge nachhilft.

Aber die Konsequenz, die Soros aus diesem Befund zieht, könnte für Europas Zukunft nicht destruktiver sein: Er will diesen Zustand zementieren. Ob Euro-Bonds oder Austritt – die inneren Ungleichgewichte der Euro-Zone bleiben bestehen, die Konflikte nehmen zu, entweder auf Kosten Deutschlands (mit Euro-Bonds) oder auf Kosten der Auslandsgläubiger, die – im Gegensatz zu den Inlandsgläubigern – die Abwertung des Euro verkraften müssen.

Und wo liegt Soros’ Investoreninteresse an der einen oder anderen Variante? Man sähe es sofort, wenn der Hedgefonds-Managers Einblick in seine Bücher und strategischen Planungen gewährte: seinen Eigenbestand an Schrottanleihen der Euro-Krisenländer und seine Planspiele für künftige (Termin-)Geschäfte mit ihnen. Entweder er verdient – Plan A – über deren Kursanstieg nach Ausgabe der Eurobonds oder – Plan B – an deren Kursverfall, wenn Deutschland die Euro-Zone verläßt und er diese Papiere am Fälligkeitstag zum Nennwert einlöst – ein Muster, mit dem Soros 1992 einen Milliardengewinn bei der Abwertung des britischen Pfundes machte. (Prof. Dr. Wilhelm Hankel)

 

USA
  • Der S&P handelte nach schwächeren Quartalsergebnissen leicht negativ (S&P: -0,7%). Telecom (+1,1%), Energy (+0,7%) und Utilities (+0,4%) waren die stärksten Sektoren, während Info Tech (-1,4%), Healthcare (-1,2%) und Cons Disc (-1,2%)  hinter der Gesamtmarktentwicklung blieben. Die Volumina lagen 16% über dem 10-Tages- und 23% über dem 30-Tagesdurchschnitt.
  • Die AMG Fund Flows berichten Netto-Zuflüsse von $1,1Mrd in Aktienfonds bzw. unter Berücksichtigung von ETFs netto Zuflüsse von $2,7Mrd.
  • IBM veröffentlichte Q1 Quartalszahlen mit einem Umsatz von $23,41 Mrd und verpasste damit leicht die Erwartung von $24,62Mrd. Software und Services, aber vor allem Hardware verkaufte sich im ersten Quartal schlechter. Nachbörslich handelte die Aktie bei -4,3%. HB – 19.4.13
  • Microsoft veröffentlichte Q1 Umsätze von $20,5Mrd und trifft damit die Erwartungen der Analysten. EPS überraschten mit $0,72 positiv (vs. Cons $,67). Die Windows-Sparte wuchs dieses Quartal nicht und machte Hoffnungen auf eine Verbesserung der Windows-8-Verkäufe zunichte. Die Aktie indiziert nachbörslich +2,9%. HB – 19.4.13
  • Google veröffentlichte nachbörslich seinen Umsatz & non-GAAP EPS von $13,97Mrd und $11,58 verglichen mit den Erwartungen $14,32Mrd & $10,67. Eine Herausforderung bleibt es den eingekauften Smartphone-Hersteller Motorola zum Erfolg zu machen. Nachbörslich handelt Google +1,4%.HB – 18.4.13
  • Lenovo wird als wahrscheinlicher Käufer der IBM Sparte für „low-end Server“ gehandelt. BB – 19.4.13
  • J.C. Penney trennt sich von zwei weiteren Führungskräften: Chief Operating Officer Michael Kramer und Chief Talent Officer Daniel. BB – 19.4.13
  • Chipolte konnte seinen Umsatz im ersten Quartal um 13% auf $726.8mn steigern und blieb damit nur leicht hinter den Schätzungen von $724.7Mio zurück. BB – 19.4.13
  • US Daily: An Update of Yellen’s Optimal Control Simulations 
  • Heutige werden keine wichtigen Makrodaten veröffentlicht.
 
ASIEN/EM
  • Die asiatischen Aktienmärkte handeln insgesamt fester nachdem das staatliche Wirtschaftsinstitut in China noch dieses Jahr eine Erholung des Wachstums erwartet. (SHCOMP: +1,20%, Nikkei: +0,67%)
  • Der japanische Finanzminister bekräftigte noch einmal dass die Maßnahmen der Notenbank der Preisstabilität dienen und diese auf dem G20-Treffen akzeptiert wurden. BBG – 19.04.2013
  • Gleichzeitig sagt der Finanzminister von Südkorea dass der schwache Yen eine größere Bedrohung für die Wirtschaft darstellt als der Konflikt mit Nord Korea. BBG – 19.04.2013
  • Lenovo zeigt Interesse an einer Übernahme des (low-end) Server-Geschäfts von IBM. BBG – 19.04.2013
  • Toyota plant zukünftig in den USA Lexus-Modelle zu produzieren. BBG – 19.04.2013
  • Emerging Markets Macro Daily: The large bounce back in capital inflows to China 
 
EUROPA
  • In Italien sind die beiden ersten Versuche zur Wahl eines Nachfolgers für Präsident Napolitano gescheitert. Der dritte Wahlgang soll am Freitagvormittag, ein möglicher vierter Wahlgang dann am Nachmittag stattfinden. Bersani kommt zudem heute Morgen mit seinen Parteikollegen zusammen, um die Kandidatenwahl nochmal zu reflektieren. FAZ – 18.4.13
  • Portugals Budgetminister Sarmento sagte gestern, dass ausreichend Möglichkeiten gefunden worden sein, um das €1,3Mrd Defizit zu decken. Genauere Angaben zu den Ausgabenkürzungen sind noch nicht bekannt. Portugals Verfassungsgericht hatte einen Teil der ursprünglichen Einsparungen zuvor für verfassungswidrig erklärt. WSJ – 18.4.13
  • Der Bundestag hat gestern den Finanzhilfen für Zypern zugestimmt. Kommende Woche stimmt das Parlament in Zypern zu den Plänen ab. WSJ – 18.4.13
  • Deutsche Bank: Die Finanzaufsicht BaFin wird die Prüfung im Skandal um Zinsmanipulationen noch einmal intensivieren, berichtet Reuters. RTRS – 19.4.13
  • Beiersdorf kommt mithilfe neuer Produkte im wichtigen China-Geschäft voran. „Wir gewinnen seit Anfang des Jahres in China Marktanteile – vor allem im Bereich Haarpflege“, sagte CEO Heidenreich. RTRS – 18.4.13
  • SAP berichtet einen 1Q Nettogewinn von €689Mio vs. €560Mio; operativer Gewinn €901Mio vs. €987Mio; operative Gewinnmarge bei 24,8% vs. 25,9%; Software Umsätze €657Mio vs. €726Mio; HANA Umsätze €86Mio vs. €88Mio; die Guidance für das Gesamtjahr wird beibehalten.
  • L´Oreal hat gestern nachbörslich Zahlen für 1Q veröffentlicht: Umsätze €5,9Mrd leicht über den Schätzungen; organisches Wachstum +5,5% vs. +5,6%; China, USA und Brasilien wurden im Luxus-Bereich positiv hervorgehoben, lediglich in Südkorea zeigen sich Probleme; der Ausblick wurde bestätigt.
  • Schindler berichtet 1Q Umsätze bei SFr2Mrd inline mit den Erwartungen; Nettogewinn SFr166Mio vs. SFr179Mio; die Guidance wurde bestätigt.
  • Heute werden keine wichtigen Makrozahlen veröffentlicht.
****Die Vergleichszahlen für Unternehmensergebnisse sind Bloomberg Consensus

Wir wünschen Ihnen ein wunderschönes Wochenende!

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Zwischendurch!

Prof. Wilhelm Hankel

 

Interview mit Professor Wilhelm Hankel

 

Die Neue Luzerner Zeitung publizierte in der heutigen Ausgabe vom Dienstag, 8. Januar 2013, ein bemerkenswertes Interview mit dem deutschen Ökonomen und Euro-Kritiker der ersten Stunde, Prof. Dr. Wilhelm Hankel. Auf einer ganzen Seite an prominenter Stelle führt der Journalist Kari Kälin ein Interview, das es wahrlich in sich hat. Es ist eine Wohltat zu lesen, mit welch messerscharfem Sachverstand Wilhelm Hankel das Euro-Desaster analysiert und dabei kein Blatt vor den Mund nimmt.

Interview Kari Kälin:

 

Wilhelm Hankel, wie ginge es Deutschland und den Euroländern heute ohne Euro?

 

Wilhelm Hankel: Glänzend. Deutschland stünde wirtschaftlich besser da als die Schweiz. Die meisten Euroländer befänden sich heute nicht in einer Krisensituation.

 

Weshalb?

 

Hankel: Wir hätten eine Reihe von Wechselkursbereinigungen und Währungsaufwertungen in Staaten wie Deutschland, Österreich oder den nördlichen Ländern erlebt. Wir hätten die Inflationsgefahr im Griff. Die südlichen Krisenstaaten befänden sich dank Abwertung der eigenen Währung auf dem Weg zur Genesung. Die griechische Drachme hätte an Wert verloren. Heute gilt die Unsinnsgleichung, dass ein Euro in Griechenland so viel Wert ist wie in Deutschland. Doch die Kaufkraft liegt in Griechenland gemäss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) um 40 Prozent tiefer als in Deutschland. Mein Fazit: Ohne Euro ginge es ganz Europa besser. Die Gemeinschaftswährung hat die heutige, katastrophale Lage heraufbeschworen.

 

Ist der Euro noch zu retten? Oder steht er am Abgrund?

 

Hankel: Wahnsinn kann man nur eine gewisse Zeit lang betreiben. Was die Schweizerische Nationalbank mit den Eurokäufen macht, betreibt die EU auf monströse Weise im Grossen. Während die Schweizerische Nationalbank «nur» den Wechselkurs stabilisieren will, «rettet» die EU auf noch monströsere Weise ganze Volkswirtschaften und hält sie künstlich auf einem Stand, den sie längst nicht mehr haben. Aus währungs- und finanzpolitischer Sicht sind Staaten wie Griechenland, Spanien, Portugal bankrott. Die Euroretter vollführen eine Bankrottverschleppungspolitik, die sich nicht auf alle Ewigkeit aufrechterhalten lässt. Sie ist nicht zu bezahlen. Die Summen, die im Spiel sind, sind viel zu gross. Die Gesamtverschuldung in der südlichen Eurozone beläuft sich auf rund 13 Billionen Euro. Das entspricht viermal der jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands.

 

Sind die Sparprogramme, welche die Troika Griechenland aufzwingt, nicht zielführend?

 

Hankel: Nein. Hier wird ein Patient quasi ohne Betäubung operiert. Die Euroretter erwarten auch noch, dass die Menschen die Einbussen bei den Einkommen, Renten und Sozialleistungen klaglos hinnehmen. Man kann aber gerade jungen Menschen nicht eine Zukunft ohne Perspektiven, ohne Aussicht auf eine Arbeit, zumuten. Wäre Griechenland nicht in der Eurozone, hätte es seine Währung schon vor Jahren abwerten und eine vernünftige, nationale Wirtschaftspolitik mit eigenen Wechselkursen und eigenen Zinsen verfolgen können. Die heutige Situation führt zum Beispiel dazu, dass Griechenland im eminent wichtigen Tourismussektor aus Kostengründen viele Kunden an die Türkei verloren hat. Athen wird von Brüssel fremdbestimmt.

 

Sie haben den Euro schon als «lebenden Leichnam» und Missgeburt bezeichnet. Dramatisieren Sie? Momentan herrscht an den Märkten ja eine relative Ruhe.

 

Hankel: Die Ruhe an den Märkten ist vergleichbar mit der Selbstberuhigung eines Selbstmörders, der von einem Turm springt und sich während des freien Falls sagt: «Es ist ja noch nichts passiert.» Das ist reiner Selbstbetrug.

 

Sehen Sie einen Ausweg aus der Eurokrise?

 

Hankel: Ich verrate meine konkreten Vorschläge, die ich an meinem Vortrag vom nächsten Samstag in Luzern präsentieren werde, noch nicht en détail. Die Ironie ist: Man könnte den Euro retten, indem man ihn in Kombination mit nationalen Währungen weiterführt, in einem Verbundsystem mit den von ihm verdrängten alten Währungen. Der Euro wäre dann wie im alten Goldstandard: das «Gold Europas». Wenn auch nur aus Papier oder elektronischer Materie und nicht aus dem gelben Metall. Der Euro konnte niemals nationale Währungen ersetzen, er konnte nur als Alternativwährung fungieren, eben wie früher das Gold im Goldstandard. Kehrte man dahin zurück, hätte das mehrere Vorteile. In der EU verschwände der Graben zwischen Ländern mit und ohne Euro. EU und Eurozone wären identisch. In Kombination mit der nationalen Währung könnten sogar Länder wie die Schweiz, England, Russland oder Norwegen zu Euroländern werden.

 

Wenn die einzelnen Staaten zu ihren Währungen, also zum Beispiel die Griechen zur Drachme, zurückkehren, hätte das doch verheerende Folgen. Die Griechen würden bei der Ankündigung dieses Schrittes zur Bank rennen und sofort ihre Guthaben sichern.

 

Hankel: Im Gegenteil: Die Aussicht auf Wiedereinführung der alten Währungen würde einen Freudenrausch auslösen. Nicht nur in Deutschland, wo die D-Mark fast so ein Mythos ist wie der alte Kaiser im Kyffhäuser. Man müsste den Menschen nur klarmachen, dass es sich um einen Währungs-umtausch handelt und nicht um eine Währungsreform. Und dass dieser Umtausch nicht mit einer Wertverminderung ihrer Guthaben einhergeht.

 

Hat der Euro nicht auch gute Seiten? Die mühsamen Wechselkurse entfallen, Touristen müssen nicht andauernd in die Wechselstube. Das ist doch unter dem Strich praktisch.

 

Hankel: Jede Bequemlichkeit hat ihren Preis – auch diese. Im Falle des Euros ist der Preis auf Dauer unbezahlbar. Ausserdem ist diese Bequemlichkeit billiger zu haben: am Geldautomaten im Ausland. Er kann inzwischen umrechnen.

 

Was ist Ihrer Ansicht nach das Grundübel am Euro?

 

Hankel: Der unverantwortliche Leichtsinn, mit dem Politiker zwingende ökonomische – und menschliche – Gesetze ignoriert haben. Ökonomisch ist es widersinnig, dass sich Staaten mit unterschiedlichen Volkswirtschaften eine Währung teilen. Staat und Währung gehören zusammen. Was versteht denn eine «staatenlose» Zentralbank wie die EZB von den Problemen der ihr anvertrauten 17 Länder? Die sind doch in Griechenland anders als in Deutschland oder der Schweiz. Und: Was bei 17 Euro-Ländern nicht funktioniert, wie soll denn das, wie vorgesehen, bei 28 EU-Ländern klappen? Und dann die menschliche Seite. Die Menschen manifestieren ihre Bedürfnisse mit dem Geldschein. Er lässt erkennen, was sie wirklich wollen, und auch was nicht. Man sieht es jetzt an der Flucht aus dem Euro – nicht nur in den Krisenländern der Eurozone. Einer der grossen Ökonomen der Wiener Schule: Eugen von Böhm-Bawerk, Lehrer des heute viel zitierten Friedrich August von Hayek, hat das bereits vor 100 Jahren in seinem grundlegenden Essay «Macht oder ökonomisches Gesetz?» klar gelegt. Eine Politik, die gegen ökonomische Gesetze und damit gegen menschliche Grundbedürfnisse regiert, zieht immer den Kürzeren. Diese Erfahrung machen derzeit auch die Euroretter. Nur, sie hätten sie sich – und den Menschen, für die sie da sind – ersparen können. Was jetzt passiert und noch passieren wird, war auch schon vorher klar.

 

Hatten diverse Staaten nach der Wiedervereinigung nicht einfach zu viel Angst vor einem starken Deutschland mit einer starken D-Mark?

 

Hankel: Noch bevor 1992 der Vertrag von Maastricht über die EU unterzeichnet wurde, forderten Giulio Andreotti, Margaret Thatcher und François Mitterand, die Staatchefs von Italien, Grossbritannien und Frankreich, den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl dazu auf, der Währungsunion beizutreten. In einem Brief schrieben sie, ein zu starkes Deutschland mit einer zu starken Währung störe Europa und könne nicht hingenommen werden. Nachdem der Euro eingeführt worden war, hat Frankreich als erstes Land die Stabilitätsregeln gebrochen und ein zu hohes Staatsdefizit gemacht. Deutschland zog mit, vermutlich aus Solidarität, damit Paris nicht allein als schwarzes Schaf dastand. Das war eine politische Dummheit der damaligen rot-grünen Regierung.

 

Sie haben 1998 vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht gegen die Einführung des Euro geklagt. Danach hatten Sie Pariastatus. Der Spiegel bezeichnet Sie als «renitenten Professor». Wie haben Sie das erlebt?

 

Hankel: Der Kreis meiner Fans hat sich verändert. Die Politiker meiden mich. Aber wenn ich irgendwo im Café sitze, setzen sich Menschen spontan zu mir. Ich bin mit diesem Tausch zufrieden. Politiker und Medien schneiden mich, das Volk schätzt mich. Meine Homepage wird tausendfach angeklickt. Die Menschen honorieren meinen Einsatz für sie, Deutschland und Europa. Das tut mir gut.

 

 

 

Die Einführung des Euros konnten Sie nicht verhindern.

 

 

Hankel: Natürlich nicht. Aber leider haben sich alle Befürchtungen, die ich zusammen mit Wissenschaftskollegen vorgebracht habe, erfüllt. Entgegen dem Eindruck in der Öffentlichkeit haben wir durch unsere Verfassungsklagen doch einiges erreicht. So hat das Gericht festgehalten, dass die Eurozone eine «Stabilitätsgemeinschaft» sein muss. Wenn dies nicht der Fall sei, habe jede deutsche Regierung das Recht, die Währungsunion wieder zu verlassen. Mit unserer zweiten Klage gegen den Euro-Rettungsfonds EFSF haben wir im Mai 2010 einen weiteren Teilerfolg erzielt, als es um die Hilfen an Griechenland ging. Das Gericht hat festgelegt, dass die Regierung nicht «auto-matisch» Budgetüberweisungen vornehmen darf. Bundeskanzlerin Angela Merkel muss jeweils vorher das Plazet des Parlaments einholen. Das verstand sich nicht von selbst. Und ausserdem gibt es dank diesem Urteil keine Eurobonds, also keine EU-Staatsanleihen.

 

Sie haben im letzten Sommer auch gegen den dauerhaften Rettungsschirm (ESM) geklagt.

 

Hankel: Das Hauptverfahren steht noch aus. Dann wird das Gericht auch prüfen, ob die Europäische Zentralbank unbeschränkt Schrottanleihen kaufen darf oder ob das den Rahmen der europäischen Gesetzgebung sprengt. Wir sind zuversichtlich. Unser bester, wenn auch unfreiwilliger Verbündeter ist der europäische Gerichtshof (EuGH). Seine Rechtsbrüche und -verdrehungen sind so unglaublich, dass sie das deutsche Verfassungsgericht gar nicht hinnehmen kann. So hat der EuGH zum Beispiel für rechtens erklärt, dass Eurostaaten für andere Eurostaaten haften – obwohl es die EU-Verträge in der No-Bailout-Klausel strikt verbieten. Doch der EuGH «hilft» den Rettern, indem er die damit verbundenen Milliardenzahlungen als «normale Kredite» interpretiert. Das ist ungeheuerlich. Denn dieses Geld finanziert keine realen Investitionen, es verschwindet in schwarzen Löchern.

 

Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) hat Sie wegen Ihrer Kritik am Euro als geschichtslosen Fachidioten hingestellt. Was sagen Sie ihm jetzt?

 

Hankel: Wenigstens hat er mir nicht die Fachkompetenz bestritten. Im Übrigen: Er hat Deutschland nur Geld gekostet hat, während ich mit dem «Bundeschätzchen», das ich in meiner Zeit als Leiter der Abteilung «Geld und Kredit» im Bundeswirtschaftsministerium Ende der 1960er-Jahre erfunden habe, der Staatskasse mehrere 100 Milliarden D-Mark eingebracht habe. Es war unser markwirtschaftliches Gegenstück zum «Volkseigentum» der früheren DDR. Der Bürger wurde mit seinen Spargroschen am Staatsvermögen beteiligt und erhielt dafür – als Quittung – ein gut und progressiv verzinstes, kursschwankungsfreies Wertpapier. Es war fast ein halbes Jahrhundert lang der Renner am deutschen Kapitalmarkt. Ausserdem wurde es x-fach imitiert: von Sparkassen, Volksbanken usw. Leider hat die Bundesregierung jetzt zu Jahresende seinen Vertrieb eingestellt, nachdem sie es schon während der letzten Jahre kaum noch verzinst hat. Es ist eine kolossale Dummheit, denn gerade jetzt kommt es darauf an, möglichst grosse Teile der Staatsschuld im Lande zu behalten – und der Bundesschatzbrief war das ideale Papier dafür.

 

Heute sind Sie ein viel geladener Redner, im deutschen Politmagazin «Cicero-Liste» figurieren Sie auf der Liste der 500 bedeutendsten deutschen Intellektuellen. Eine Genugtuung?

 

Hankel: Ja. Aber es ehrt die Juroren. Sie zeigen, dass sie Kritiker respektieren und nicht auf jeden Phrasendrescher reinfallen.

 

Die europäischen Staatschefs eilen von Krisengipfel zu Krisengipfel und sprechen Abermilliarden zur Rettung von Pleitestaaten wie Griechenland. Was bewirkt dieser Aktivismus überhaupt?

 

Hankel: Die deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft hat das Wort «Krisenroutine» zum Unwort des Jahres gekürt. Das Skandalöse ist, dass die Politiker nicht schlecht von ihrer Krisenroutine leben. Die Spesen sind gewaltig. Nur wofür? Die Krisenroutiniers zeigen mit jedem ihrer Gipfel einmal mehr, dass sie gar kein Konzept zur Lösung der Eurokrise haben. Sie verschleudern Billionen Euro, ohne eine Bilanz vorzulegen, aus der klar ersichtlich wäre, wofür. Seit Ausbruch der Eurokrise hat allein die Europäische Zentralbank rund 5 Billionen Euro gedruckt. Oder elektronisch verschickt. Ein materieller Gegenwert dafür ist nirgends zu erkennen. Im Gegenteil: Die Wirtschaftsleistung der Eurozone geht zurück. Es handelt sich also um Geldschöpfung ohne Wertschöpfung. Tatsächlich sind die 5 Billionen sind in den Bankenapparat der Eurozone geflossen. Die Banken haben das Geld mangels ausreichender Kreditnachfrage an der Börse angelegt. Die Frage, die sich jeder stellen muss, lautet: Wann kommt der nächste Schwarze Freitag? Es gibt genügend Parallelen zu den 1920er-Jahren. Auch damals wurde die Geldmenge bei mässigem Wachstum zu stark ausgeweitet. Irgendwann platzt die Blase, weil jemand zu viele Posten auf einmal verkaufte und die Kurse einbrachen, an jenem ominösen Freitag teilweise um bis zu 90 Prozent. Das kann sich wiederholen.

 

Hat überhaupt noch jemand den Überblick über all die Konstrukte, dank denen die Krisenstaaten der Eurozone aus dem Schuldensumpf finden sollen?

 

Hankel: Nein. Und ich frage mich, ob dahinter nicht Absicht steckt. Wenn jemand den Überblick hätte, wäre das Entsetzen über die verschwundenen Billionen ja noch grösser. Die Verschleierung ist Teil der Politik der Euroretter. Kämen die ganzen Konsequenzen dieser Übung ans Tageslicht, sie wäre schnell beendet. Gibt es einen intelligenten Politiker, der längst erkannt hat, dass ein Abbruch der Eurorettung nötig wäre? Ich sehe keinen. Leider gibt es genug dumme Politiker in Europa, die die Augen zu und weiter machen.

 

Sind diese Rettungsschirme denn nicht eine Art Marschallplan wie nach dem Zweiten Weltkrieg, dank denen die verschuldeten Staaten wieder auf die Beine kommen könnten?

 

Hankel: Ich arbeitete als junger Volkswirt im deutschen Marshall-Plan-Ministerium, als dieser Plan umgesetzt wurde. Der Marshallplan ist der Beweis für die klassische Theorie, dass man Kapital nur durch Arbeit bilden kann. Und dass man, um arbeiten zu können, genügend zu essen haben muss. Um aufzubauen, muss man etwas leisten. Die Eurorettung funktioniert nach dem umgekehrten Prinzip: Geld ohne Leistung. Es wird ein Status quo zementiert. Leider ist es der der Pleite.

 

Die Schweizerische Nationalbank kauft grosse Mengen an Euro – Ende November sass sie auf einem Devisenbestand von 174 Milliarden Euro – um den Wechselkurs von 1.20 zu verteidigen. Können Sie das nachvollziehen?

 

Hankel: Ich liebe die Schweiz, aber verstehe die panische Furcht der Schweizer Behörden vor der Aufwertung des Frankens nicht. Sie ist völlig unberechtigt. Die D-Mark hat in ihren letzten 25 Lebensjahren ständig aufgewertet. Deutschland wurde in dieser Zeit nicht ärmer, sondern immer reicher. Das würde auch in der Schweiz passieren. Wer exportiert, muss auch importieren. Die Importe werden bei einer starken Währung ständig billiger, auch für Wirtschaft und Industrie. Sie gewinnt an Wettbewerbsfähigkeit. Mein früherer Chef, Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller von der SPD, sagte damals: Jede DM-Aufwertung ist eine Ausschüttung von «Sozial-Dividende an das deutsche Volk». Man kann sich mehr im Supermarkt kaufen und reist günstiger ins Ausland. Das gilt auch für die Schweiz. Die Schweizerische Nationalbank verschwendet Volksvermögen, wenn sie Geld in einer Währung anlegt, die es wahrscheinlich schon bald nicht mehr gibt. Wo bleibt da der gesunde Menschenverstand? Der Schweizer Sinn fürs Reale?

 

Die EU hat den Friedennobelpreis erhalten. Ihr Kommentar?

 

Hankel: Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. Seit wir den Euro haben, nehmen die Gehässigkeiten und Animositäten unter den europäischen Völkern in einem erschreckenden Ausmass zu. Die zu rettenden Euroländer haben sich nicht gerade überschwänglich für die vielen hundert Milliarden Euro, die sie als Hilfe erhalten haben, bedankt. Bei den nächsten Milliarden werden sie es auch nicht tun. Ich kann nicht nachvollziehen, was sich das Nobelpreiskomitee bei der Verleihung dieses Preises gedacht hat. Nicht die EU sichert den Frieden Europas, sondern die Einsicht, dass man einen Dritten Weltkrieg weder braucht noch bezahlen könnte.